Dragon Days – Reisebericht

Das Dragon Days Fantastikfestival fand in den letzten Tagen, genauer vom 11.07.2013 – 14.07.2013 in Stuttgart statt. Die Übermorgenwelt war natürlich vertreten, wie konnte es auch anders sein, wenn direkt vor der Haustür so eine Veranstaltung angeboten wird.
Am Donnerstag konnten wir leider noch nicht bei der Preisverleihung an Tad Williams dabei sein, doch am Freitag ging es direkt nach der Arbeit los.
Victoria Francés
Trotz mehrfacher ungewollter Stadtbesichtigungen in Stuttgart gelangten wir fast pünktlich zum Interview mit Victoria Francés. Die Künstlerin und Autorin beantwortete bereitwillig und freundlich die Fragen des Moderators und Fragen aus dem Publikum. So durften wir erfahren, dass sie etwa 2 Wochen für die Fertigstellung eines Bildes benötigt. Ihre Bilder zeigen oft gesellschaftlich gebrandmarkte und verstoßene Personen, mythologisch angelehnte Kreaturen und Charaktere die viel Leid erfahren haben. Vampire, aber besonders auch Meerjungfrauen, bestimmen ihre aktuellen Arbeiten. Dabei reizt sie die Bivalenz der Meerjungfrauen – auf der einen Seite der Liebreiz, auf der anderen Seite die oft dunklen Gefühle. In „Das Klagelied des Meeres“ spielt dann auch eine Meerjungfrau die zentrale Rolle und Victoria hat darin die eine oder andere Jugenderinnerung eingebracht. In ihren Werken verarbeitet sie oft Erlebnisse aus ihrem Leben. In Zukunft kann sie sich durchaus vorstellen, auch andere mythologische Kreaturen z.B. Feen oder Drachen für ihre Kunst zu verwenden. Zuletzt verriet sie sogar, dass sie ein Fan der Serie Dragonball gewesen ist. Im Anschluss an das Interview zeichnete die Künstlerin noch ein Bild für das gebannt wartende Publikum und faszinierte mit dem Portrait eines Vampirs vor seiner düsteren Burg in einer Vollmondnacht. 
Danach nahm sie sich die Zeit für Fans und signierte Bücher bzw. auf Wunsch auch das DragonDays-Programmheft in ihrer ganz eigenen Art – sie zeichnete jedem ein persönliches Bild. Wir erhielten einen Vampir in ihr Buch „Favole“.
Leider haben wir die Lesung von Tad Williams in einer der örtlichen Buchhandlungen verpasst, doch das Interview mit Victoria (inklusive ihrem Bild) haben uns dann doch einen gelungenen Besuch beschert.

Am Samstag haben wir erneut die Fahrt auf uns genommen. Diesmal startete das Programm für uns mit dem Vortrag von Daniel Danzer, dem Erfinder des Kartenspiels „Steam Noir Revolution„. Er berichtete von der Entstehung des Spieles, ausgehend von seiner Idee in der S-Bahn, über die Genrewahl und die Zusammenarbeit mit Felix Mertikat bis hin zum Crowdfunding des Projektes. Ein spannender und unterhaltsamer Vortrag, mit vielen Informationen und Tipps insbesondere für jeden, der sich vielleicht mit dem Gedanken trägt, auch einmal ein Spiel zu veröffentlichen oder eventuell ein Crowdfunding-Projekt auf die Beine zu stellen. Tatsächlich konnten wir eines der ersten Steam Noir Revolution – Spiele für die Übermorgenwelt aquirieren und es sogar von Daniel Danzer sowie später noch Felix Mertikat signieren lassen.

Oliver Palotai, Shia Springorum, Björn Springorum (v.l.n.r.)

Im Anschluss besuchten wir „Das Kosmophon“ – eine zeitlose Schauergeschichte in Wort, Bild und Ton. Der Titel war Programm  – eine Lesung mit musikalischer Untermalung sowie visuellen Hilfen in Form von Fotografien und Zeichnungen, passend zu dem Auszug der vorgetragenen Geschichte. „Das Gespinst“, eine Gruppe bestehend aus Björn Springorum, Stefan Heilemann, Shia Springorum und Oliver Palotai, haben hier eine Lesung der besonderen Art geschaffen, die das Erleben der Geschichte deutlich intensiviert. Die Story selbst ist spannend und mit interessanten Charakteren gespickt. Persolus, der  Anführer der Gruppe, Gideon ein Priester, Nemo, ein Junge mit ständig wechselnden Persönlichkeiten aber ohne eine eigene und die Zwillinge, zwei junge Frauen, die sich beständig an der Hand halten müssen, um dem Tod zu entrinnen. Sie sind in einer unwirklichen Welt auf der Suche nach dem Zeitmacher, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen bzw. mit ihm abzurechnen. Eine spannende, aber auch blutige Geschichte, von der man sich auf den Internetseiten der Schöpfer einen Einblick holen kann. In der Gesamtheit eine tolle Erfahrung!!!

Christian von Aster
Die Lesung der „Wahren Märchen“ wurde von uns für den nächsten Besuch ausgewählt. Hier lasen die Autoren  Christian von Aster und Björn Springorum „düster-morbide Märchennacherzählungen“, die mit Bildern der Schweizer Fotografin Annie Bertram vereint präsentiert wurden und auch im gleichnamigen Buch zu finden sind. Das Märchen vom „Mädchen mit den Schwefelhölzern“, diesmal aus Sicht eines der Schwefelhölzer, gibt die Tragik der Geschichte aus einem neuen und spannenden Winkel wieder, behält dabei aber die Handlung bei. Die Geschichte der „Elf Schwäne“ hat zwar weitestgehend die usprüngliche Erzählung behalten, wird von Björn Springorum allerdings neu interpretiert und hat ein wesentlich dramatisch-blutigeres Ende genommen. Was uns beim Kosmophon noch gefallen hat, ist beim Märchen der Elf Schwäne aus unserer Sicht etwas über das Ziel hinausgeschossen. Definitiv keine „Gute-Nacht-Geschichte“ für Kinder mehr, aber dass sollte es ja vermutlich auch gar nicht werden.
Zusätzlich zu den „Wahren Märchen“ stellte Christian von Aster noch sein Buch „Alice vs. Wunderland“ vor. Die von ihm als „Pubertätsdramödie“ bezeichnete Geschichte erzählt, frei nach Lewis Carroll, die Geschichte einer pubertierenden Alice als „irrsinnig hintersinniges Buch über Raupen, Hutmacher und Anwaltskatzen, das Ende der ersten Liebe und die vermutlich schwerste Zeit im Leben.“ Ein weiteres, asiatisch angehauchtes Märchen von Christian van Aster, rundete die Veranstaltung ab. Darauf folgten einige Fragen, die jedoch allesamt die weiteren Lesungen der beiden Vortragenden betrafen – durchaus verständlich, ist doch die Lesung von Christian von Aster allein schon ein Erlebnis. 
Kontaktaufnahme mit Timo Mrazek
Von dort ging es weiter zum Vortrag von Timo Mrazek und seinem Roman „GorillaDelphia“ bzw „GorillaDelphia II“. Der Autor, Grafikdesigner und Verleger berichtete enstpannt, locker und sehr unterhaltsam von seinen Erfahrungen im Schreiben und Veröffentlichen seiner Bücher. Er hat dafür eigens einen Verlag gegründet und, Dank seines Berufes, natürlich auch das Logo und Layout selbst entworfen. Zur Unterstützung stand ihm sein Neffe – vermutlich sein heimlicher Ghostwriter – zu Seite. Gemeinsam hatten sie das Publikum binnen kürzester Zeit auf ihrer Seite und wie in Trance entbrannte der Wunsch im Zuhörer, die Geschichten um „GorillaDelphia“ zu lesen! Wir haben im Anschluss natürlich seine Bücher für die Übermorgenwelt signieren lassen und halten an der Option fest, ihn zu einer Lesung einzuladen. Wir können nur sagen: Un. be. dingt anhören, kennenlernen und – bald folgt eine Rezension! Danke Timo Mrazek, für uns der Knüller des Tages!
Zu guter Letzt führten uns unser Weg ins Wilhelmpalais zur Steam Noir – Veranstaltung mit Felix Mertikat, Verena Klinke und Hermann Ritter sowie der Modenschau der Designerin Sammy the Scissors bzw. Redcat7.
Die Comics um eine Welt im Stil des wilhelminischen Deutschlands, entführen den Leser auf einen zerbrochenen Planeten, dessen Schollen im Aether treiben. „Maschinen mit Seelen und Menschen ohne Skrupel. Dampfkraft, groteske Maschinentechnik und übernatürliche Phänomene. Und über all dem eine geheimnisvolle Toteninsel, die die Welt der Lebenden heimsucht!“.
Felix Mertikat und Verena Klinke berichteten von der Schöpfung ihrer Welt, beginnend bei „Opus Anima“, einem Rollenspielbuch, das zu einem gewissen Teil die Basis für Steam Noir bildete, das dann aber doch etwas eigenes darstellt. Sie zeigten den Schaffungsprozess ihres Comics, sprachen über die Zusammenarbeit von Autorin und Künstler und berichteten über zukünftige Projekte, denn nach der Veröffentlichung des 4. Kupferherz-Bandes wird diese Geschichte vorerst abgeschlossen sein. Es werden noch kurze Geschichten folgen, die zeitlich vor der Handlung von „Das Kupferherz“ angesiedelt sind und gegen Ende des Jahres ist der Beginn eines ganz neuen Projekts mit dem Titel „Carnival“ geplant. Dort liegen die Städte in einer riesigen Wüste zu weit auseinander, um einfach miteinander in Kontakt zu stehen. Eine riesige Karawane reist innerhalb eine Jahres durch sämtliche Regionen der Wüste, immer in Begleitung eines Zirkus – vermutlich dem Carnival. Die Hauptcharaktere reisen, freiwillig Er und ihm folgend Sie, mit besagtem Zirkus durch das Land. Das ganze Projekt soll offen beobachtbar gestaltet sein, d.h. der Leser kann den Schaffungsprozess mitverfolgen, allerdings nicht eingreifen.
Der Stil von Felix Mertikat in seinen Zeichnungen lässt den Leser leicht in die Welt des Steam Noir eintauchen. Die Handlung ist spannend und sollte das Projekt Carnival von den beiden mit ähnlich viel Engagement und Herzblut umgesetzt werden, wie Kupferherz, so ist auch dort mit viel Interesse der Leser – mindestens der Fans – zu rechnen.

Felix Mertikat und Verena Klinke

Natürlich haben wir uns einen Band von Felix und Verena signieren lassen. Auch hier nahmen sich beide die Zeit für ihre Fans und signierten nicht einfach nur, sondern es gab eine persönliche Zeichnung von Felix und eine Widmung von Verena. Vielen Dank an die Beiden. Die Übermorgenwelt plant auch einmal eine Sendung über Steampunk über den Äther zu schicken – vielleicht können wir ja dann Felix und Verena zu einem kurzen Interview bzw. einer Vorstellung von Steam Noir überreden. Wir würden uns freuen… Denn auch wenn sich Felix bei weitem nicht als Fachmann für Steampunk ansieht, so haben er und Verena doch eine Welt in ihrem Comic erschaffen, die mit Steam Noir Krimi-und Steampunk-Fans gleichermaßen anspricht.

Die Modenschau von Sammy the Scissors / Redcat7 – einer Designerin aus Berlin, die passend zu „Steam Noir“ Kleider entworfen hatte und hier diese und weitere Kreationen präsentierte – begann leider erst sehr spät. Da wir noch eine etwas längere Heimreise in Aussicht  und mit einem Ende gegen 22:30 Uhr gerechnet hatten, hat uns der späte Start nicht wirklich gefallen.
Die Modeschau wurde auf 3 Blöcke aufgeteilt, jeweils von Pausen unterbrochen. Wir haben nur den ersten beiden Blöcken beiwohnen können, dann war es leider einfach schon zu spät und der Anreiz nicht mehr groß genug, um auch den 3. Block noch abzuwarten. Uns haben die Kleider im zweiten Block wesentlich besser gefallen als im Ersten – möglicherweise folgte ja sogar noch eine Steigerung.

Fazit: Alles in allem sind wir begeistert von dem, was die Veranstalter hier aufgeboten hatten. Tolle Autoren und Künstler gaben sich die Klinke in die Hand, haben sicher alte Fans beglückt und garantiert neue Fans gewonnen. Die Dragon Days sind bei uns für das nächste Jahr, in der Zeit vom 05. – 08.06.2014, natürlich schon vorgemerkt. Ein kleiner Kritikpunkt bleibt, wir wünschen uns von den Veranstaltern ein paar Wegfindungshilfen, z.B. in Form von Karten in den DragonDays-Begleitheften, ist es doch für Gäste von außerhalb eher schwierig, bei einem Veranstaltungswechsel binnen kurzer Zeit die uns unbekannten Orte zu finden. Aber dank der Hilfe modernster Technik und freundlicher Stuttgartianer sind wir immerhin überall angekommen.