Der Mostrumologe – Ja, mein liebes Kind, Monster gibt es tatsächlich!

Rick Yancey

Der Monstrumologe
(The Monstrumologist)

Bastei Lübbe
ISBN: 978-3-7857-6040-6

William James Henry ist tot… und wenn man seinen eigenen Angaben glauben möchte – die einzigen Angaben, die dem Heimdirektor vorliegen – so ist er 1876 geboren und damit 131 Jahre alt geworden. Seine Hinterlassenschaft sind 6 Tagebücher, von denen in diesem Roman die Abschrift der ersten 3 wiedergegeben wir.
Will Henry hat im Alter von 12 Jahren seine Eltern verloren. Beide sind in einem Feuer ums Leben gekommen und der Waisenjunge wird von Dr. Pellinore Warthrop aufgenommen. Bereits der Vater von Will Henry hat für Dr. Warthrop gearbeitet und dabei mehr Zeit und Opferbreitschaft für diese Tätigkeit als für seine Familie bewiesen. Nun ist es an dem Sohn, als Assistent und Lehrling den Doktor zu unterstützen. Wenn ihn jemand fragt, so soll er sagen Pellinore Warthrop sei Doktor der Philosophie – so sei es einfacher. Dr. Pellinore Warthrop ist Monstrumologe und in einer Nacht des Jahres 1888 erhält er eine Lieferung, die der Beginn eines schrecklichen Abenteuers für Will Henry darstellt. Es werden eine, vielmehr zwei Leichen geliefert… ein junges Mädchen und eng mit ihr verschlungen, ein Monster… ein Antropophage. Dieses Wesen, eigentlich beheimatet in Afrika, sollte in Neu Jerusalem nicht existieren und wirft bei Dr. Pellinore Warthrop viele Fragen auf. Nach eingehender Untersuchung der Kreatur begeben sich die beiden auf die Suche nach dem Fundort und dem Ursprung des Monsters und entdecken dabei ein Geheimnis, dass nicht nur die Gegenwart sondern auch die Vergangenheit des Monstrumologen erschüttert…
Rick Yancey, der schon früh Freude am Theater und an der Schriftstellerei  empfand, versuchte sich zuerst in einem Jurastudium. Er unterrichtete Englisch, leitete Theatergruppen und arbeitete 12 Jahre für’s Finanzamt bevor er 2004 seinen Job aufgab und Vollzeit-Schriftsteller wurde. Mit seinen Büchern hat er bereits mehrere Preise gewonnen und der neueste Streich „The 5th Wave“ ist bereits eines der am häufigsten geehrten Bücher 2013 und wird im Augenblick verfilmt.
Der Monstrumologe von Rick Yancey ist der erste von bereits 4 veröffentlichen Bänden über die Abenteuer von Will Henry und Dr. Pellinore Warthrop. Was im ersten Moment nach einem Jugendbuch klingen mag, ist definitiv ein Horrorroman mit teils recht blutigen und grausamen Szenenbeschreibungen. Dabei orientiert sich der Stil von Rick Yancey sprachlich an Wendungen des 19. Jahrhunderts – aber schließlich sind es ja auch Tagebücher, die hier veröffentlicht werden. Ich persönlich bin eigentlich kein Freund des Horrors und doch musste ich dieses Buch zu Ende lesen, denn es ist spannend geschrieben und sowohl der Schreibstil als auch die Handlung machen es dem Leser nicht einfach, dass Buch aus der Hand zu legen. Dabei ist das Buch keineswegs mit einem H.P. Lovecraft oder Stephen King zu vergleichen, denn hier fehlt es an der Subtilität dieser Meister. Rick Yancey greift sich eine existierende Legende und transportiert den Grusel auf eine pseudowissenschaftliche Ebene der Realität in Form von Monstrumologie. Mehr als einmal betont Dr. Warthrop, dass es sich hierbei ebenso um Gottes Geschöpfe handelt, die mehr oder weniger nur ihren Veranlagungen folgen, wie auch andere Raubtiere oder gar der Mensch. Gut gefallen hat mir die Verbindung zur Parasitologie und dem Horror dieser zum Teil real existierenden „Monster“ unserer Welt.
Die Charaktere – sowohl des jungen Will Henry als auch von Pellinor Warthrop werden dem Leser im Lauf der Geschichte, insbesondere durch ihre Vergangenheit, als auch die inneren Gedankengänge von Will Henry, näher beschrieben. Dabei ist es, meiner Ansicht nach, ein guter Effekt, dass Will Henry seine Tagebücher rückblickend verfasst hat und somit zum Teil Einsichten seines erwachsenen Ichs in die Erzählung einbringt.
Das Umschlagcover sowie die Illustrationen sind schwarz-weiß gehalten und tragen zur Gesamtstimmung des Romans bei – allerdings sind die Monster im Kopfkino weitaus furchterregender als auf den Zeichnungen, dank Rick Yancey eingehenden Umschreibungen.
Das Buch sollte keinem Jugendlichen unter 16 angeboten werden und ist nur etwas, für Menschen mit weniger schwachem Nervenkostüm und hoher Ekelgrenze. 
Die Idee, auf seiner Internetseite einen Fragenkatalog für die literarische Analyse bereit zu stellen und das Buch somit tauglich für den Schulunterricht zu präsentieren, finde ich einerseits sehr lobenswert. Dadurch wird das Genre der phantastischen Literatur in anderer Form aus den dunklen Ecken der „Schundliteratur“ hervorgeholt. Ob nun gerade dieser Roman für den Schulunterricht geeignet ist, ist dabei ein ganz anderer Aspekt und muss von den Lehrern und Schülern gleichermaßen selbst beurteilt werden.

Rick Yancey erhielt für das Buch „Der Monstrumologe“ den Michael L. Printz Award im Jahr 2010.

23.01.2014   G. Winter