Ist der Mensch von Geburt an ein Sünder? – Mitdenken notwendig!

Dan Vyleta

Smoke

carl´s books

ISBN: 978-3-570-58568-9


https://www.randomhouse.de/Paperback/Smoke/Dan-Vyleta/carls-books/e500819.rhd#infoWir befinden uns in der Mitte bzw. gegen Ende des 19 Jahrhunderts auf den britischen Inseln – genauer gesagt vornehmliche in Oxford und London. Thomas und Charlie, zwei adlige Jungen auf einem Internat in Oxford haben mit ihrem Rauch zu kämpfen, ihren alltäglichen Sünden, dunklen Gedanken und Taten, denn in dieser Welt manifestieren sich diese in Form von Rauch. Während der normale Bürger diesem Rauch nichts entgegen zu setzen hat, ist der Adel in der Lage, sich zu beherrschen und durch seine, von Gott gegebenen Fähigkeiten, gut zu sein und keine Sünde zu haben. Doch Thomas und Charlie entdecken bald, das im Rauch weit mehr Geheimnisse stecken, als nur die sündigen Gedanken der Mitmenschen und dass diese Entdeckungen nicht nur ihr eigenes Leben radikal ändern sollen.
Das Buch „Smoke“ von Dan Vyleta begeistert in den USA und Großbritannien Leser und Kritiker gleichermaßen. Nun erscheint es auch auf in deutscher Sprache bei carl´s books in einer wunderschönen Auflage mit Softcover und geprägtem Titel. Das düster erscheinende Titelbild mit London und seinem Nebel und einem großen Lichtspalt lädt geradezu ein, es sich einmal näher anzusehen.
Es ist schwierig „Smoke“ zu rezensieren, ohne zu viel von der Handlung oder dem Hintergrund zu verraten. Wortgewandt und mit bildhafter Sprache versetzt Dan Vyleta den Leser in eine seltsame Welt den 19. Jahrhunderts in dem sich die dunklen Gedanken, die Sünden der Menschen, durch Rauch manifestieren, der von ihnen aufsteigt, aus ihren Nasen und Ohren tritt, sich als Ruß niederschlägt und zum Teil sogar die eigne Atmung erschwert. „Stell dir vor, du lebst in einer Welt, in der deine dunklen Gedanken sichtbar werden…“ Dieser Satz fiel mir als erstes ins Auge und erinnerte mich spontan an Patrick Ness und seiner „New World“ – Trilogie, bei der sämtliche Gedanken der Männer für alle offen sichtbar waren in ihrem „Lärm“. Doch der Ansatz von Dan Vyleta ist gänzlich anders und konzentriert sich auch auf eine andere Form von „sichtbar“ werden.

„Stell dir vor, du lebst in einer Welt, in der deine dunklen Gedanken sichtbar werden…“ Mit diesem Satz wirbt das Cover des Buches für die Geschichte von Dan Vyleta und leitet den Leser dadurch bereits vor Beginn der Geschichte in eine bestimmte gedankliche Richtung, die man allerdings bald selbst hinterfragt und als zu simpel erkennen muss. Denn simpel und oberflächlich ist fast nichts in diesem Roman und darauf sollte man gefasst sein, wenn man sich „Smoke“ zu Gemüte führen will. „Smoke“ ist kein 08/15 Roman mit eindeutiger Geschichte, sondern eine allumfassende Metapher, eine bildhafte Darstellung etwas Ungreifbaren. Zumindest möchte Dan Vyleta das erreichen… lässt sich aber dann von seinem eigenen Werk überrollen und den Leser am Ende mit gemischten Gefühlen zurück.

Wer, wie ich, gern hintersinnige Bücher liest und Texte hinterfragt, wem es gefällt, unter die Oberfläche einer Geschichte zu blicken und auch tiefer über Textabschnitte nachzudenken, für den ist „Smoke“ durchaus eine Empfehlung wert. Denn diese „Mühe“ muss man auf sich nehmen, um mit dem Buch voran zu schreiten. Der Roman hat ein paar Abschnitte, die sich hinzuziehen scheinen, doch zumeist liegen viel mehr Informationen in einem Abschnitt, als die Handlung der Geschichte vorgibt.
 
Der Stil von Dan Vyleta ist dabei nicht unbedingt einfach, springt er doch mindestens einmal pro Kapitel von einer Erzählperspektive in eine andere. Doch genau diese Perspektivwechsel machen die Geschichte so spannend und geben dem Leser Informationen, die ein einzelner Charakter so nicht bekommen hätte, während sie, präsentiert von einem allwissenden Erzähler, fast plump und ohne eigene Denkleistung vermittelt werden würden und das Buch dadurch zu einer zu einfachen Geschichte verdammt hätten. Dem ist aber nicht so! Mitdenken ist gefragt – lasst euch Zeit für das Buch und legt es hin und wieder zur Seite, um über die Handlung und deren Bedeutung etwas zu sinnieren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist notwendig, um „Smoke“ zu mögen.
 
Ich persönlich war vom Ende zwar etwas enttäuscht und bin der Ansicht, Dan Vyleta hat sich selbst ein wenig verrannt in seiner Metapher, um es sich danach einfach zu machen und die Interpretation dem Leser zu überlassen.
Aber gleichzeitig denke ich: Bei „Smoke“ ist der Weg, also die Geschichte selbst, das Ziel. Mal wieder ein Roman, der zum Nachdenken anregt und der diskutiert werden möchte. Entscheidet selbst, ob Dan Vyleta hier wirklich „die existenziellen Fragen nach Gut und Böse“ behandelt – dieser Slogan klingt dann doch fast ein wenig hochtrabend. Aber „Smoke“ lässt euch mit Sicherheit darüber nachdenken, sofern ihr euch darauf einlasst!
27.03.2017
G.Winter