Soviel Glück kann nicht gut sein…?

Friedrich Schiller
Almud Kunert


Die Ballade von Schiller „Der Ring des Polykrates“ beruht auf der Angst des Menschen, dass es andauerndes Glück nicht geben kann und dass der Absturz nach jedem glücklichen Ereignis nur noch schlimmere Auswirkungen haben wird. Während Polykrates also mit jeder Strophe mehr Glück zuteilwird, glaubt sein Freund, der König von Ägypten, dass die Götter ihn bald immer stärker bestrafen werden und er deswegen, quasi prophylaktisch, ein Opfer bringen muss. Polykrates‘ Wahl fällt auf einen wertvollen Siegelring, den er opfert und ins Meer wirft. Doch bald darauf wird ihm ein Fisch geschenkt, in dessen Bauch der Koch schließlich den Siegelring findet.  Der ägyptische König ist nun überzeugt davon, dass Polykrates ein schlimmes Schicksal erwartet und er verlässt ihn, weil er diesen Verlust des Freundes nicht ertragen würde.
Die Ballade ist ein Klassiker, die schon zu Schillers Lebzeiten auf einer bekannten Geschichte von Herodot basierte. Damals mag bekannt gewesen sein, dass Polykrates ein schlimmes Schicksal bevorstand, heute ist dieses Wissen nicht unbedingt als vorausgesetzt zu betrachten. Ebenso wenig erfährt man davon, dass Polykrates wohl ein Tyrann gewesen sein soll. Von der reinen Lektüre der Ballade fühle ich sogar Sympathie mit Polykrates, der, obwohl vom Glück verfolgt, trotzdem versucht, es den Göttern vorsichtshalber recht zu machen. Er scheint kein schlechter Herrscher zu sein.

Die Umsetzung in der neuen Kindermann-Fassung lässt mich ein wenig zwiespältig zurück. Die Ballade wurde ohne Erläuterungen oder sprachliche Umwandlung direkt in das Buch übernommen und am Ende sind noch einmal alle 16 Strophen komplett auf einer Seite aufgeführt. Zumindest ein paar Anmerkungen oder auch Vereinfachungen zum Gedicht hätte ich mir gewünscht.

Die Zeichnungen von Almud Kunert sind wunderschön, aber auch hier muss ich wenige Kritikpunkte vor dem darauffolgenden Lob anbringen. Der Herrscher Polykrates wirkt auf den meisten Bildern etwas verschlagen, obwohl aus dem Gedicht keine negativen Charaktereigenschaften abgelesen werden können. Mit den (fehlenden) Erläuterungen als tyrannischer Herrscher hätte ich diese Bilder dann vielleicht schon eher verstehen können. Ein blutiges Haupt hätte in einem Kinderbuch ab 7 Jahren vielleicht auch nicht unbedingt so dargestellt werden müssen.
Davon abgesehen sind die Zeichnungen toll und es gibt auf jeder der großen, farbigen Doppelseiten viele Details zu entdecken, Kleinigkeiten, die Spaß am Buch machen und sowohl Kindern als auch Vorlesern Freude bereiten werden. Frau Kunert hat hier sicherlich viel Hintergrundrecherche betrieben und sich an zeitgemäßer Kleidung oder dem damaligen Schiffbau künstlerisch orientiert. 
Die warmen Töne (Gelb/Orange/Braun) geben die Umgebung bzw. das Ambiente ebenfalls ganz wunderbar wieder. Das Ergebnis ihrer Arbeiten sind wirklich sehr bezaubernde Zeichnungen. Wie auch schon im „Sommernachtstraum“vom Kindermann Verlag sind es diese vielen kleinen Details, die ihre Arbeit so liebenswert machen.

Mit leichten Einschränkungen ist dem Kindermann Verlag erneut ein schönes Werk gelungen, das den Leseanfängern die klassische Poesie schmackhaft machen kann. Vielleicht kommen in einer weiteren Auflage noch ein paar Hintergrundinformationen dazu, die eine kindgerechte Interpretation und mehr Verständnis für den Text und die Zeichnungen ermöglichen. Trotzdem ist „Der Ring des Polykrates“ eine wunderschöne Ausgabe der Ballade von Friedrich Schiller die auch Kindern den Spaß an klassischen Werken eröffnen kann.

29.03.2017
G.Winter / G.Hintze