Halloweenaktion „1. Zombietaverne“ – Bericht eines Außenstehenden ;)

Ich stehe hinter dem eisernen Eingangstor des Fort Albeck am späteren Nachmittag des 31.10.2015 und die Sonne scheint erfreulicherweise noch mild auf mich herab. Auf der anderen Seite des Torflüges höre ich es – klackernde Kiefer, schnarren, keifen, gurgeln, stöhnen und schlurfen. Ein wenig stehen mir die Nackenhaare zu Berge und ich bin froh, dass ich nur ein „rosa Wölkchen“ bin. Meine orangene Schutzweste kennzeichnet mich als Mitglied des Organisationsteams – kurz Orga, was bedeutet, ich werde im Spielgeschehen nicht wahrgenommen, es sei denn, ich muss einschreiten oder jemand hat ein Problem oder eine Frage. Deswegen rosa Wölkchen… wie Luft… nicht anwesend 🙂

Und jetzt, genau in diesem Moment, bin ich extrem froh darüber, denn eine Horde Zombies stürmt schlurfend, sabbernd und auf der Suche nach Hirn, Blut und Menschenfleich den Vorhof. Die Spieler vor mir, die bis zu diesem Moment noch über ihre Situation und ihr weiteres Vorgehen beratschlagt haben, greifen nun zu ihren Waffen, um sich den Untoten gegenüber zu behaupten, wie sie es bereits seit ein paar Stunden versuchen. Doch während sie bisher strategisch die relativ wenigen Zombies schlagen konnten, reicht ein kurzer Blick auf die neue Übermacht um den, mehr oder weniger geordneten Rückzug ins Gemäuer und damit hinter die noch schützende Eingangstür zur Übermorgenwelt anzutreten. Die Zombies folgen, werden durch den Lärm angelockt und können  (noch) nicht hinter die dicke Holztür vordringen. Schließlich, nachdem keine Opfer mehr erreichbar sind, ziehen sich die Zombies wieder zurück, einige bleiben einfach im Treppenhaus stehen, einige im Vorhof und ein großer Teil verlässt das Fort… und ich bin immernoch das rosa Wölkchen, werde aber vom einen oder anderen Zombie schon irgendwie hungrig angeschaut…. Haha – nix da… 


Doch kurz einmal von vorn – die Zombietaverne ist ein sogenanntes LARP, also Live-Action-Role-Playing Game, was bedeutet, man schlüft in eine Rolle und lebt diese in einem vorgegebenen Szenario und nach strickten Spielregeln aus. Ein LARP kann alle möglichen vorstellbaren Szenarien beinhalten und muss natürlich nicht immer etwas mit Zombies zu tun haben. Kostüme sind beliebt aber nicht immer notwendig. Heute zum Beispiel geht es um eine Gruppe von Fantasy- und SciFi – Freunden, die sich zu einem Halloween-Spieleabend und einer Party in der Übermorgenwelt treffen. Da kommt jeder wie er mag – einige eben in Alltagskluft. Dumm nur, dass ausgerechnet an diesem Abend auch die Zombieapokalypse ausbricht. Idee und Organisation dieses Spektakels stammen von Holger, in LARP-Kreisen auch als Jefe bekannt. Zusammen mit Bianca und Andy haben sie ganz schön was auf die Beine gestellt. So eine Aktion funktioniert nur mit Anmeldung… und die vorhandenen Plätze waren im Nu ausgebucht. Hier gab es dann Spieler, also die Leute, die sich der Zombiehorden erwehren mussten. Einige davon waren teilweise in die Handlung eingeweiht und z.B. schicksalhaft vorherbestimmt zu einem mehr oder weniger bestimmten Zeitpunkt zum Zombie zu werden, um dass Spielgeschehen voran zu bringen und in die richtigen Bahnen zu lenken. Dann gibt es natürlich noch die Zombies, Spieler, die von Anfang an, sensationell geschminkt, einfach alles und jeden anbeißen wollen. Ach ja, und natürlich nicht zu vergessen, die handvoll Orga, die rosa Wölkchen, die wussten, was wann und wo ablaufen sollte, welche Waffen und Werkzeuge zum Spiel gehörten und hin und wieder noch Objekte ins Spiel brachten oder Zombiehorden kontrollierten.


Als ich im Fort eintreffe, werden bereits die ersten Zombies geschminkt, die Räume sind festlich auf die Halloween-Party vorbereitet. Zu meinen Aufgaben zählt nun auch, die Haftungsregeln von allen Spielern unterzeichnen zu lassen. Diese Form von Absicherung ist LARP-typisch, habe ich mir sagen lassen, denn ich bin das erste mal dabei. Als sämtliche Spieler anwesend sind und instruiert werden, haben die Zombies bereits ihre Einweisung erhalten und bilden eine lustige Rotte rund im das Zombiezelt vorm Tor. Ich suche noch Andy, der den Generator aufbaut, den die Spieler später in der Dunkelheit finden und wieder in Gang bringen müssen – ohne dabei von Zombies angebissen oder gar verspeist zu werden. Auf der Suche begegne ich Mia. Die Verkleidung wirkt sehr professionell und ich bin spontan froh, dass es noch früher Nachmittag ist und unser erstes Treffen nicht im Dunkeln stattgefunden hat. Wie ich erfahre, ist sie quasi ein Zombie-Profi, fährt zu vielen Events und bekannt als „43 kg pure Angst“. Joa- kann ich verstehen…
Noch haben sie ihn nicht entdeckt,
deswegen hat er auch noch sein Bier 😀

Zurück im Fort, Andy muss noch basteln, startet nun das Szenario. Die Spieler treffen nun offiziell ein, während die ersten Zombies im Hintergrund heranschlurfen und als „Besoffene Partygänger“ nur müde belächelt werden. Jeder ist in seiner Rolle – und hier sind Zombies eben noch nicht präsent. Nach dem Beginn der Party wird relativ bald der erste Tote, ein Bauarbeiter, im Treppenhaus gefunden – auch hier geht man von einer Schnapsleiche aus, klaut das Bier und lässt ihn liegen. Doch bald gibt’s Tumult im Vorhof und erste eindeutige Opfer, auch wenn noch nicht klar ist, was da eigentlich genau vor sich geht. 

Diesen Teil stelle ich mir persönlich am schwierigsten vor – komplett in die unwissende Rolle zu schlüpfen.
Dann überschlagen sich die Ereignisse. Einige der Partygäste verändern sich und werden ebenfalls zu Zombies. Die Spieler müssen anfangen, um ihr Leben zu kämpfen – natürlich nur mit LARP-Waffen, spezielle, aus Schaumstoff und ähnlichem Material gefertigte Waffen oder Werkzeuge, die trotzdem ziemlich realistisch aussehen, auch um sich leichter in das Spiel hineinversetzen zu können. Es gibt vorgeschriebene Trefferzonen und je nach Wirksamkeit auch eine Anzahl an notwendigen Treffern, um einen Zombie zu besiegen. Dabei wird natürlich nicht wild drauflos gebolzt… die Orga achtet darauf, aber auch die Spieler selbst bleiben trotz steigendem Stresslevel noch soweit kontrolliert. 

Erdeeren und Tomaten sind des Zombies
Lieblingsspeise… dachte ich…

Verschiedene Aufgaben zwingen die Spieler, ihr heimeliges Übermorgenwelt-Räumchen zu verlassen und nach draussen zu kommen. Nachrichten müssen abgerufen werden, um über die Geschehnisse in der Welt der Zombieapokalypse informiert zu sein und die eigene Rettung planen zu können. Es wird Nacht… und nun geht den Spielern auch noch der Strom aus. Das Notstromaggregat im Treppenhaus macht nicht mehr mit und sie müssen den vorhin erwähnten Generator finden. In einer Ecke hinter dem Fort stellt sich Andy zu seinem Generator, um die Lösung der Aufgabe zu überwachen und wenn nötig, Hinweise zu geben bzw. Regelwidrigkeiten zu unterbinden. Ich warte auf einem Weg, um zu verhindern, dass die Spieler vielleicht falsch abbiegen oder für alle Eventualtitäten als Ansprechpartner vorhanden zu sein. Mit uns beiden ist eine Rotte der Zombies in das kleine „Wäldchen“ gekommen und verteilt sich strategisch, um den Spielern zu möglichst ungünstigen Zeitpunkten den Schreck in die Glieder zu jagen und vielleicht auch den einen oder anderen auf ihre Seite zu ziehen – wie das Zombie eben so machen. 

Dann warten wir…. die Spieler müssen selbst auf die Idee und den Weg kommen, die notwendigen Informationen haben sie, aber natürlich wissen wir nicht, wann sie sich tatsächlich entschließen und wieviele auftauchen werden. In der Wartezeit raschelt hin und wieder ein Zombie, diese Geräusche kann ich zuordnen, denn sie kommen aus mir bekannter Richtung. Dann knackt es hinter mir und mir wird nun doch etwas mulmig. 
Habe ich erwähnt, dass ich zu den Menschen zähle, die Horror nicht so richtig viel abgewinnen können. Dafür bin ich zu schreckhaft und habe eine viel zu lebhafte Vorstellungskraft. Deswegen auch „nur“ Orga im Zombie-LARP. 

Auch ein Zombie braucht mal ne Pause,
…um den bitteren Geschmack aus dem Mund zu bekommen?

Jetzt knackt es schon wieder… wer schleicht denn da herum? Vermutlich ein Igel oder ein anderes Tier, trotzdem drehe ich mich immer wieder um. Wie lange warte ich jetzt schon? 10 Minuten? 20 Minuten? Es fühlt sich lange an, aber dann kommen sie endlich, eine größere Gruppe – 5 oder 6 Leute… wir haben den Weg mit wenigen Knicklichtern markiert und alle laufen zielstrebig voran in Richtung Generator. Dann wird es lauter, die Zombies werden wach und greifen an. Ich höre es nur, kann in der Dunkelheit nichts erkennen und merke nur irgendwann, dass es wieder still ist. Nun erfüllt das Surren des Generators die Nacht, als die Spieler versuchen, die Aufgabe zu lösen. Die besiegten Zombies kommen den Weg herauf, wirken erschöft und ein wenig enttäuscht, dass sie so schnell geschlagen werden konnten… aber der Abend ist ja noch längst nicht vorbei… Zombies kommen immer wieder 🙂
Während sie abziehen und zurück zum Zelt gehen, warte ich weiter auf die Spieler und stehe in der Dunkelheit als ich eine Spieluhr höre. Langsam kommt Mia näher und bleibt ca. 2-3 Meter vor mir stehen. Im Spiel ist sie ein kleines Zombie-Mädchen, so ca. 1,50 m groß, mit einem rosa Mantel, goldenen Locken, blutigem Gesicht und blutigen Armen. In der Hand hält sie einen Puppenkopf, der eine Spieluhr ist. Eine Situation wie in einem Horrorfilm. Ich glaube, sie sieht mich an und ich frage mich, ob sie weiß, dass ich ein rosa Wölkchen bin. Meine Nackenhaare stellen sich wieder auf, aber dann ist sie gnädig, kommt näher und fragt, was die Spieler machen und ob sie Crawler-Geräusche machen soll. Ich lerne später, das Crawler eine besonders fiese und ausnahmsweise extrem schnelle Zombievariante sind, die sich durch ziemlich gruselige Soundeffekte bemerkbar machen. Klar, antworte ich ihr, denn die Spieler dürfen sich ruhig auch ein wenig fürchten da hinten. Sie beginnt und ich bin erneut froh, dass ich weiß, woher die Geräusche kommen, auch wenn ich nicht weiß, wie ein Mensch selbige produzieren kann. 
Lauf! …wenn du kannst

Dann ist es soweit, die Spieler haben die Aufgabe gelöst und kommen den Weg zurück – ich erkenne die flackernden Taschenlampen und Mia stellt sich, wie vorhin bei mir, einfach nur auf den Weg, zieht die Spieluhr auf und wartet. Die Spieler erreichen die Stelle, das Taschenlampenlicht streift über den Boden, dann bleiben sie stehen … vermutlich haben sie nun die Spieluhr gehört. Der runde Lichtkegel gleitet weiter den Weg voran, beleuchtet Mias Schuhe, gleitet nach oben bis in ihr Gesicht… dann höre ich nur ein „Oh, Scheiße“ und ein „Lauf! Los Lauf!“ und schon rennen die Spieler den Weg zurück in Richtung Zuflucht Übermorgenwelt. Mia schickt ihnen noch ein grusliges Lachen hinterher und meint nüchtern: „Sie laufen… Sie laufen immer…“ In ihrer Stimme glaube ich ein wenig Genugtuung und Erheiterung herauszuhören, dann begeben wir uns ebenfalls auf den Rückweg.

In den weiteren Stunden bis Mitternacht spitzt sich die Lage im Fort immer weiter zu, mehr und mehr Spieler werden Opfer und kehren als Zombies zurück. Die letzten Überlebenden müssen zu einem Punkt außerhalb des Fort laufen, um von Hubschraubern der Armee aufgenommen und gerettet zu werden (so das Szenario, wir haben natürlich keine echten Hubschrauber 😉 
Wir kennzeichnen den Fluchtweg mit Knicklichtern, bauen auch eine Sackgasse ein, um es etwas schwieriger zu gestalten. Dann verteilen sich die Zombies. Zwei große Rotten – eine gleich am Anfang, die andere verteilt sich etwas später am Weg. Im engen und rutschigen Bereich der Fluchtroute wird niemand positioniert, um auszuschließen, dass sich jemand durch eine Schreckreaktion verletzt. Die erste Gruppe darf danach über eine Abkürzung zum Ende der Fluchtroute vorlaufen und erneut zuschlagen. Ich positioniere mich hinter den beiden Zombiehorden und zu Beginn des etwas rutschigen und schmalen Weges. Dann kommen die Spieler und werden zu beiden Seiten von Zombies flankiert, die nun auch etwas schneller als zu Beginn des Szenarios agieren dürfen. Sie stürzen gehetzt an mir vorbei, dicht gefolgt von doch recht flinken und trotzdem noch schlurfenden Zombies und der entsprechenden Geräuschkulisse. Ich folge nach den Zombies und möchte sicherstellen, dass niemand unterwegs verloren geht oder stürzt und vergessen wird. Aber sämtliche Teilnehmer sind kontrolliert genug und aus meiner Sicht gab es zu keinem Zeitpunkt ernsthafte Verletzungsgefahr. Ich erreiche das Ende des Weges und treffe auf eine Horde Zombies, siegreich jubelnd – eigentlich untypisch für die Untoten. Ich gehe also davon aus, dass das Spiel damit beendet ist und schlendere entspannt näher. Ein fröhlicher Zomie dreht sich um und ich höre nur noch „Spielleiter fressen“…. „Mist“, denke ich noch, „als rosa Wolke bin ich doch außen vor!?“ – dann stürzen sich diverse Zombies auf mich….
Applaus – das Klatschen von Händen hallt durch die Dunkelheit. Wo ist der Organisator… der sammelt bereits Knicklichter ein, schließlich hinterlässt man alles so, wie man es vor dem Spiel vorgefunden hat. Dann hält er aber doch noch eine kleine Rede und erntet Begeisterung von allen Seiten. Glückwünsche und Szenendiskussion .. ein bisschen wie nach einem Theaterstück. Und in gewisser Hinsicht war es das ja auch. Dann geht’s zur Aftershow-Party in die Übermorgenwelt. Zombie und Spieler vereint, erschöpft aber zufrieden. Wer hat gewonnen? Nun ja, die meisten Spieler sind am Ende den Zombies zum Opfer gefallen. Aber das muss ja nicht bedeuten, dass man deswegen verloren hat 😀 Ich konnte von meinem Orga-Standpunkt feststellen, dass auch die Zombies jede Menge Spaß an ihren Auftritten und Angriffen hatten. 

Ich bin deswegen jetzt zwar immernoch kein Freund von Horrorfilmen, aber die Zombies, die ich zu Halloween kennenlernen durfte, sind mir sehr sympatisch. In einem LARP eine Geschichte erleben zu dürfen, mitzugestalten und sich selbst vielleicht in eine kleine, andere Charakterrolle zu versetzen, ist auf jeden Fall ein großer Spaß und gleichzeitig auch eine Herausforderung. Ein Theaterstück mit festgelegter Rahmenhandlung in der jeder Darsteller seiner Rolle gemäß agiert und so die Geschichte beeinflusst. Der Spielleiter oder Regisseur koordiniert live und es gibt kein Publikum sondern ausschließlich Künstler, Laiendarsteller und Profis, deren Bühne überall stehen kann. 
Es wird wieder passieren, auch im neuen Jahr ist ein LARP geplant und ich bin mir sicher, dass viele Teilnehmer von Halloween erneut die, zum Teil ziemlich weite, Anreise auf sich nehmen werden, um sich den Spaß nicht entgehen zu lassen. Ob ich dann wieder ein rosa Wölkchen sein werde oder mich diesmal als Darsteller probiere… abwarten. 

Falls ihr die Chance auf ein LARP haben solltet – ich kann es nur weiterempfehlen. 

Und immer daran denken, Zombies sind auch nur Menschen… tote Menschen zwar, aber im großen und ganzen O.K. 😉