„Tia – das Raumschiff, das sich verliebte“
aus Anne McCaffrey’s „Gehirnschiff“-Reihe (Brain & Brawn Ship Series), geschrieben zusammen mit Mercedes Lackey
Ursprünglich bei Bastei-Lübbe erschienen
Die Prämisse dieser fünf Romane umfassenden Reihe ist sowohl simpel, wie auch genial. Kinder, die mit schweren genetischen Fehlbildungen zur Welt kommen, deren Gehirne aber normal ausgebildet sind, werden in eine unzerstörbare Titanhülle gepflanzt. Das Wachstum ihrer Körper wird gehemmt, und eine Schnittstelle zum Gehirn geschaffen, durch die sie allerlei Sensordaten aufnehmen können und gleichzeitig in der Lage sind, mehrere komplexe Tätigkeiten auf einmal auszuführen.
Als Steuergehirne führen sie dann ein Leben im Einklang mit denen sie umgebenden Maschinen – sei dies nun ein Raumschiff, eine Raumstation, oder eine ganze Stadt.
McCaffrey’s Hauptaugenmerk liegt bei der Reihe auf den Gehirnschiffen. Mit den verschiedensten Aufgaben durchstreifen diese das bekannte – und unbekannte – Universum. Ihr einziger Begleiter auf ihren Reisen ist ein menschlicher Pilot, der so genannte Muskel.
Hypatia Cades Geschichte aber, um die es hier vornehmlich geht, die ist anders. Tia wächst als völlig gesundes Mädchen auf. Als Tochter von Archäologen treibt sie sich auf fremden Planeten herum, und dass sie keine gleichaltrigen Kinder um sich herum hat, das stört sie so gar nicht. Ihre besten Freunde sind ein Gehirnschiff und ihr blauer Teddy-Bär Ted, und für Tia ist das auch völlig in Ordnung so.
Kurz nach ihrem siebten Geburtstag aber erkrankt Tia an einer mysteriösen Krankheit. Nach und nach verliert sie jedes Gefühl in ihren Gliedmaßen. Zwar kann die Krankheit schließlich gestoppt werden, aber da ist es bereits zu spät. Tia wird nie wieder ein normales Leben führen können. Bis sie für das Gehirnschiff-Programm vorgeschlagen und angenommen wird – unerhört bis zu diesem Moment. Schließlich ist Tia weit über das Alter hinaus in dem Kinder anpassungsfähig genug sind um sich mit dem Leben in einer Kapsel zurechtzufinden.
Tia aber schafft es, und nach ihrer erfolgreichen Ausbildung hat sie nur ein Ziel – zusammen mit ihrem Piloten Alex den Heimatplaneten jener fremden Rasse zu finden, deren Überreste sie mit ihren Eltern erforschte als sie krank wurde. Nur dort glaubt sie den Ursprung ihrer Krankheit finden zu können. Denn kein Kind soll je ihr Schicksal teilen müssen…
Die Geschichte um Hypatia Cade ist mein persönlicher Liebling aus dieser Reihe. Vermutlich, weil ich mich als relativ junger Leser sehr mit ihr als Protagonistin identifizieren konnte. Im Gegensatz zu den anderen Gehirnschiffen, die allesamt in einer Kapsel aufgewachsen sind, ist Tia ein „richtiger“ Mensch und sieht und beurteilt die Welt aus dieser einzigartigen Perspektive heraus.
Auch diese Reihe profitiert ungemein von McCaffrey’s unfassbaren Talent dafür, komplexe Welten zu erschaffen die in sich schlüssig sind. Alle ihre Bücher sind stark Charakter-bezogen, und doch ist auch immer die Welt ein wichtiger Protagonist in ihren Büchern. Wer allerdings ‚Techno-babble‘ erwartet, der wird größtenteils enttäuscht. Anne McCaffrey’s Science-Fiction versucht weniger das Wie zu beschreiben, als eher die Frage zu beantworten: Was passiert dann? Was macht es mit einem jungen Menschen, wenn die einzige Chance auf ein richtiges Leben bedeutet, für immer von jeglichem menschlichen Kontakt abgeschnitten zu sein? Und was geschieht, wenn dieser junge Mensch sich verliebt?
Gerade auch wegen dieser elementaren Fragen über das Leben ist dieses Buch besonders auch jüngeren Leser zu empfehlen.
Anne Neuschwander