Autorenlesung “ Matinée Fantastique“ mit Bernhard Hennen und Robert Corvus

Mit Bernhard Hennen und Robert Corvus durften wir am 08.09.2018 zwei Größen der deutschen Fantastik in unseren Räumen begrüßen. Die Lesung bzw. das Erlebnis mit diesen Autoren war ein großer Genuß und ein voller Erfolg. Sowohl die Gäste, als auch die Autoren waren begeistert und jeder wünscht sich eine Fortsetzung.
Herr Schmiedberger von der Südwestpresse war ebenfalls unter den Anwesenden und hat den Abend aus seiner Sicht im folgenden zusammengefasst. (Ach ja- „grölen“ trifft es meiner Ansicht nach nicht so ganz 😉 – aber „gewöhnungsbedürftige Sangeskunst“ wollte er wohl nicht schreiben – lest selbst): 

Wer einmal lautstark die Foggwulf-Fanfare gesungen hat, dem ist künftig nichts mehr peinlich. 
In Ulm waren es immerhin rund 40 Besucher, die zusammen mit Robert Corvus die Fäuste in die Höhe reckten und ungefähr zur Melodie von „Stille Nacht“ Zeilen wie „Das Drachenhaupt schaut stets voll Stolz“ grölten. Der groß gewachsene Autor sieht mit den mehr als schulterlangen Haaren und dem Vollbart sowieso beinahe so aus wie die Hauptfigur Asleif Phileasson, die er für die Romanreihe „Phileasson-Saga“ schreibt. 
Bernhard Hennen, die zweite Hälfte des Autorengespanns, das Samstagabend in den Räumlichkeiten der Übermorgenwelt Ulm e. V. zu Gast war, sieht darin augenzwinkernd einen Ausdruck des sogenannten „Method Writing“, bei dem ein Autor ähnlich einem Schauspieler beim Method Acting zu seiner Figur werde. Corvus habe diese Methode erfunden und in der Tat fällt es den Besuchern nicht schwer, dieser Argumentation zu folgen. Aber man war schließlich auch vorgewarnt: Lesungen mit Hennen und Corvus seien alles andere als gewöhnlich. 
Der Ulmer Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in den Kasematten des am Safranberg gelegenen Fort Albeck eine möglichst umfassende Bibliothek der phantastischen Literatur anzulegen und beim Nachwuchs das Lesen zu fördern, hat eine ausgezeichnete Wahl getroffen, als er dieses illustre Duo zu seiner ersten öffentlichen Lesung einlud. Zuvor schon habe man in einem nicht öffentlichen Rahmen Christian von Aster nach Ulm geholt, wie Wulf Neuschwander verriet. Bernhard Hennen hat Neuschwander vor einem halben Jahr auf dessen Lesung im Hugendubel Ulm angesprochen. Der zeigte sich sofort begeistert für einen Besuch des Forts. Einen Ort, den er am Abend der Lesung noch mehrmals als paradiesisch bezeichnen würde. 
Der 52-jährige Krefelder mit Studienabschluss in Geschichte, Vorderasiatische Archäologie und Germanistik verfasste in den 1990er Jahren einige Rollenspielabenteuer für „Das Schwarze Auge“, bevor ihm nach journalistischer Tätigkeit nicht zuletzt dank der Fürsprache von Wolfgang Hohlbein der Einstieg in die Schriftstellerei gelang. Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen, von denen der umfangreiche Zyklus um „Die Elfen“ (Heyne) nach wie vor als Hennens Hauptwerk gilt, der seitdem auf viele Wochen in diversen Bestseller-Listen zurückblicken kann. Las er im Hugendubel noch aus dem Auftaktband seiner aktuellen Trilogie „Die Chroniken von Azuhr“ (Fischer Tor), so präsentierte er mit Robert Corvus in der Übermorgenwelt ein Kapitel aus dem noch aktuellen fünften Band der „Phileasson-Saga“ (Heyne), „Schlangengrab“. Der mehr als 700 Seiten starke Band sechs, „Totenmeer“, soll noch im November erscheinen, Band sieben, „Rosentempel“, im März 2019. Immerhin konnte Corvus die fertigen Titelbilder vorzeigen, die aber nicht immer genau den Vorstellungen der beiden Autoren entsprechen. Im Fall von „Der Himmelsturm“ habe es eine unklare Absprache mit dem Illustrator gegeben, an der sie durchaus nicht ganz unschuldig waren, wie Corvus witzelte. 
Der 46-jährige Kölner hat eine kürzere, aber nicht weniger vielfältige Autorenvita als sein „Seniorpartner“ Hennen. Seit gut 12 Jahren verfasst Bernd Robker unter den Pseudonymen Bernard Craw und Robert Corvus Romane für etablierte Serien wie „Das Schwarze Auge“, „Battletech“ und „Perry Rhodan“ bzw. „Perry Rhodan Neo“. Zu seinen eigenen Schöpfungen zählen die „Schwertfeuer-Saga“, die Reihe um „Die Schattenherren“ und jüngst die beiden Science-Fiction-Romane „Feuer der Leere“ und „Das Imago-Projekt“. Bei „Perry Rhodan“ habe er sich mittlerweile vom „Stammgastautor (oder so)“ zum „Stammgastautor“ gemausert. Vor einigen Monaten hatte Corvus sich auf dem Garching Con ausgedehnt über eine Ernennungsmail des Perry-Rhodan-Chefredakteurs lustig gemacht, in der tatsächlich das „(oder so)“ gestanden habe. Schon damals bewies der Autor echtes Showtalent, das er nun gemeinsam mit Hennen zur Entfaltung bringen konnte. Ist Hennen auf der Bühne der leisere, distinguiertere Charakter, so agierte Corvus als Showman, Enfant terrible und Hanswurst in einem. Immer wieder fiel er Hennen ins Wort, korrigierte, kommentierte und scherzte er – meist auf der kaum nennenswerten Bühne hin und hergehend oder einen Weg ins Publikum suchend („Ich nehm´ mir erstmal einen Keks“). Im besagten Kapitel, das von einer merkwürdigen Form des Theaters handelt, gab ihm Hennen freiwillig einen Part ab, weil nur Corvus diesen angemessen vorlesen könne. Hier meinte er wohl die alte Krämerin, die Corvus mit einem urkomischen osteuropäisch anmutenden Akzent vortrug. 
Wie es bei Hennen und Corvus üblich ist, nahm die eigentliche Lesung den geringsten Teil der Veranstaltung ein. Zu Beginn hatten die beiden kurz den Inhalt der „Phileasson-Saga“ skizziert, die bedingt durch die Rollenspiel-Vorlage 12 Bände aufweisen muss. 12 Bände wohlgemerkt, die schon längst alle auf dem Markt sein sollten, wenn es nach den maskulinen Allmachtsphantasien der Autoren gegangen wäre, die sich laut Corvus in der Konzeptphase – ohne Alkoholeinfluss – gegenseitig mit einem möglichen Schreibpensum überbieten wollten. Das war vor etwa drei Jahren. Jetzt wird es aber noch weitere drei Jahre dauern, bis die Leser den Ausgang des Abenteuers kennen werden. Kein Wunder, wissen Hennens Literaturagenten doch nur zu genau, dass mit ihm vertraglich vereinbarte Seitenzahlen allenfalls Richtwerte sind, die meist im dreistelligen Bereich überschritten werden. Allein ein Prolog für die „Phileasson-Saga“ könne schon mal um die 100 Seiten umfassen. Diese Prologe sind dann auch mehr Novellen, die jeweils verschiedene Charaktere vorstellen sollen. Hennen ist jedenfalls ein ausgesprochener Vielschreiber, der im Grunde einen noch umfangreicheren Output als sein amerikanischer Kollege George R. R. Martin hat, auf dessen Party Hennen unlängst im Rahmen eines Kalifornienbesuchs eingeladen war. 
Solche Anekdoten plauderten Hennen und Corvus ganz ungezwungen während der anschließenden Fragerunde aus, in der sich Hennen als Künstlernatur outete und gleichzeitig seinen Schreibpartner als den verlässlichen Pedanten des Teams lobte, der beim Verlag mehr als geschätzt werde, weil er Abgabetermine in der Regel deutlich unterschreite. Deutlich überschritten wurde jedoch die für Lesungen übliche Zeitspanne. Hatte es zunächst technische Anlaufschwierigkeiten gegeben – hier können die Veranstalter auf jeden Fall noch dazulernen – stießen Hennen und Corvus nach dem offiziellen Veranstaltungsende auf zahlreiche kaufwillige Abnehmer ihrer gesammelten Werke, die diese oder auch mitgebrachte Bücher signiert haben wollten. Weiterhin posierten die Beiden für Fotos und plauderten bis um Mitternacht mit Fans und Mitgliedern der Übermorgenwelt. Um aber überhaupt etwas kaufen zu dürfen, mussten die Besucher jedoch die erwähnte Foggwulf-Fanfare singen. Wer das einmal erlebt hat, versteht auch, warum Hennen das Publikum eingangs vorwarnte: „Corvus schafft es, Leute dazu zu bringen, die verrücktesten Dinge zu tun. Danach ist Ihnen nichts mehr peinlich“. 
Die erste öffentliche Lesung in der Übermorgenwelt geriet dank zweier glänzend aufgelegter Autoren zu einem saukomischen und besonderen Auftakt, dem hoffentlich noch weitere literarische Leckerbissen folgen werden. Wer hier aber seine erste Lesung besucht hat, der könnte sich ziemlich sicher langweilen, wenn er eine „normale“ Lesung besuchen sollte, denn mehr Comedy geht fast nicht. Und Hennen? Der wäre lieber heute als morgen wieder zu Besuch in der Übermorgenwelt, wenn da nicht die 500 Kilometer Anfahrt wären.     
Christoph Alexander Schmidberger