Ancillary Justice – Ann Leckie

Eine KI als Protagonist – mal anders

Ancillary Justice Imperial Radch #1 von Ann Leckie


Deutsche Übersetzung:
Die Maschinen – ein Roman aus einer fernen Zukunft, erschienen im Heyne Verlag


Bevor ich wirklich in die Rezension dieses wirklich beeindruckenden Buches eintauche, bitte ich folgendes zu beachten. Ich habe Ancillary Justice auf Englisch gelesen. Von daher habe ich mich entschlossen, in dieser Rezension auch die englischen Begriffe zu verwenden – vor allem deswegen, weil es schwierig ist die deutschen herauszufinden wenn man das Buch nicht vorliegen hat. 🙂

Mit ihrem Erstlingswerk ist Ann Leckie ein bemerkenswerter Einstieg in die Science-Fiction gelungen. Ancillary Justice ist auf vielen Ebenen ein Buch, wie ich es noch nie gelesen habe. Zugegeben, ich lese eher wenig Science-Fiction. Trotzdem glaube ich, dass die spezielle Erzählkunst dieses Romans auch für versierte Sci-Fi Leser etwas ganz Neues ist.

Zwar ist die Grundidee, ihre Geschichte aus der Sicht einer Künstlichen Intelligenz erzählen zu lassen nicht ganz neu, aber mit Breq hat die Autorin einen wahrhaft einzigartigen Charakter geschaffen. Denn Breq ist nicht einfach nur eine KI. Breq ist eigentlich die KI des Kriegsraumschiffes Justice of Toren – genauer gesagt ist sie ein Teil von One Esk, einer Unterabteilung der Gesamt-KI. Und noch genauer gesagt ist Breq ein Ancillary, also ein menschlicher Körper der der KI einverleibt wurde und nun als One Esk zusammen mit 19 anderen Ancillaries ausführendes Element der Justice of Toren ist.

Klingt spannend, oder?

Damit aber nicht genug der Besonderheiten von Ancillary Justice. Die Justice of Toren ist ein Kampfschiff der Radchai, einer stetig expandierenden Weltenmacht, die sich im Universum ausbreitet. Anführerin der Radchai ist Anaander Mianaai, ein Wesen, das sich selbst in eine Art KI verwandelt hat und nun mit ihren vielen Körpern ihr Reich verwaltet.
Auch die Religionen in diesem Roman sind erwähnenswert. Die Radch annektieren die sie umgebenden Welten und ähnlich wie die alten Römer übernehmen sie deren Götter dann in ihr eigenes Pantheon. In Ancillary Justice geschieht das gerade mit den Gottheiten des Planeten Shis’urna, dessen Annektierung in Rückblicken erzählt wird und an der Breq als Ancillary beteiligt war.

Die Radchai haben keine Geschlechterunterscheidung. Das hat zur Folge, dass Breq für alle Personen denen sie begegnet die weibliche Form wählt, und dann gerne Fehler macht, wenn sie eine andere Sprache sprechen muss. Das interessante dabei ist, dass eigentlich nur aus der Begegnung mit Nicht-Radchai geschlossen werden kann, welches Geschlecht ein Charakter nun wirklich hat. Ich allerdings habe schnell gemerkt, dass es überhaupt keine Rolle spielt ob ein Charakter nun ein Mann oder eine Frau ist. Und alleine das war eine völlig neue Erfahrung.

Die eigentliche Story des Romans rückt ob dieser einzigartigen Erzählweise teilweise etwas in den Hintergrund. Aber gerade sie hat es in sich. Breq nämlich ist die einzige Überlebende ihres Schiffes, der Justice of Toren. Als einzelner Ancillary hat sie die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, einen Racheplan zu schmieden. Denn es war die Anführerin der Radch selbst die damals die Zerstörung ihres Schiffes bewirkte, und all die Jahre über hatte Breq nur ein Ziel – Anaander Minaai zu töten. Erst als sie zufällig auf Seivander trifft, die vor tausend Jahren einer ihrer Lieutenants war und seitdem im Kryoschlaf lag, rückt Breqs Plan in greifbare Nähe.
Wem es noch nicht klar geworden ist, dem sei es hier noch einmal gesagt: Ancillary Justice ist kein Buch, das vor sich hinplätschert. Ich habe lange gebraucht um es zu lesen – nicht aber, weil es langweilig ist, oh nein. Im Gegenteil. Trotz der Zeit die sich die Autorin nimmt um Breqs Werdegang zu zeigen, habe ich nie das Interesse verloren.

Einzig das viele Denken hat mich davon abgehalten, das Buch in wenigen Tagen zu verschlingen. Neben vielem anderen ist dieser Roman nämlich auch noch schlau. Philosophische Denkansätze sind so geschickt in die Handlung eingebaut, dass man erst danach merkt in welche neue Richtung man eben geschubst wurde. Alleine die Tatsache, dass Breq so sehr ein Teil ihrer Gesellschaft ist, wirft interessante Fragen auf. Ist es ethisch akzeptabel, Menschen zu Ancillaries zu machen, auch, wenn sie selbst keinerlei Nachteil darin sieht? Und was passiert, wenn ein menschlicher Geist, der in vielen Körpern lebt, beginnt, sich mit dieser Frage auseinander zu setzen…?

Wer also Lust auf einen beachtenswerten Science-Fiction-Roman hat, dem sei Ann Leckie’s Debutroman hiermit wärmstens empfohlen. Übrigens hat dieser Roman nicht nur den Hugo Award, sondern auch den Arthur C. Clarke und einen Nebula gewonnen, das aber nur am Rande.

Anne Neuschwander


Übrigens, die nächsten zwei Bände der Reihe sind auch schon erschienen: Imperial Radch #2: Ancillary Sword  (Die Mission, Heyne Verlag)
Imperial Radch #3: Ancillary Mercy (Das Imperium, Heyne Verlag, erscheint 2017)