Spannend, divers und bestürzend-hoffnungsvoll

Rezension zu Wasteland von Judith und Christian Vogt



Von der Hoffnung in der Postapokalypse erzählt die Geschichte von LayLay und Zeeto, aber auch von Schaufelradbaggern, vergifteten Zonen, gefundenen Babys und WiFi-Religionen. Mehr dazu, wie das alles zusammenpasst, gibt’s hier.

Hui, dachte ich, nachdem ich Wasteland fertiggelesen hatte. Da haben die Vögte, wie sie gern genannt werden, ja mal was abgeliefert. Wasteland ist nämlich ein ganz besonderes Buch, und das auf mehr als nur eine Art und Weise.
Hopepunk heißt das Genre, in dem das Buch sich bewegt. Sowohl in der Science-Fiction als auch in der Fantasy angesiedelt, bedeutet Hopepunk hauptsächlich, dass der Widerstand ein zentrales Motiv des Buches ist. „Widerstand“, wie Alessandra Ruß in ihrem Artikel zum Genre auf Tor-Online schreibt, „gegen Resignation und den Unwillen zur positiven Veränderung.“
Wenn das mal nicht ein Leitthema für uns alle sein sollte, die wir in der Welt von Trump, Putin, „Maskulinisten“, Impfgegnern und Klimaleugnern leben.
Aber worum geht es in dem Buch eigentlich?
Deutschland, 2064. Die Welt, wie wir sie kannten, existiert so nicht mehr. Auf mehr als nur eine Weise vergiftet ist die nahe Zukunft, in der die Vögte ihre Geschichte angesiedelt haben. Kriege und Naturkatstrophen haben nur schmale Streifen des Landes für Menschen noch bewohnbar gelassen, und dort herrschen Gangs und das Gesetz des Stärkeren.   
Als Zeeto im vergifteten Ödland ein Baby aufgabelt und sich dabei mit der tödlichen Ödlandkrankheit infiziert, ahnt er noch nicht, dass damit seine Geschichte erst beginnt. 
LayLay hingegen ist schon mittendrin, sie nämlich ist als Einzige immun gegen die durch biologische Kampfstoffeausgelöste Krankheit, und soll Zeeto zurückbringen. 
Aber warum zeigt auch das Baby keine Symptome der Krankheit? Und warum besteht LayLays Vater Azmi so dringend darauf, nirgendwo lange Halt zu machen, auch wenn LayLay viel lieber bei Zeeto im Handgebunden-Markt bleiben würde, als mit ihm auf dem Motorrad weiter durch die Lande zu ziehen? Und was hat es mit den seltsamen Bunkern auf sich, die Zeeto im Ödland zu erkunden suchte…?
LayLay und Zeeto heißen also die beiden Protagonisten in Wasteland, und beide sind sie auf erfrischende Weise eben nicht die typischen SFF-Erzählfiguren. Ob in Bezug auf Neurodivergenz, Hautfarbe, Sexualität oder Geschlecht, den typischen weißen hetero Helden sucht man hier vergeblich. 
Auch das inhärente Problem der systemisch bedingten toxischen Maskulinität wird besonders über Zeeto immer wieder thematisiert, der so gar nicht in das Schema F des postapokalyptischen Helden zu passen scheint und gerade deswegen genau der richtige Erzähler ist, um LayLay zu ergänzen. 
Für mich persönlich, als Autorin der Inklusion und Diversität in der Phantastik ein wichtiges Anliegen sind, ist Wastelandein Beispiel und Lehrstück zugleich – und als Beispiel dient es gleich auf mehreren Ebenen:
„Gendergerechte Sprache stört den Lesefluss in einem deutschen Buch“, wird oft als Argument benannt, dafür, dass der Status Quo beibehalten wird. Wasteland beweist das Gegenteil.
„Große Publikumsverlagen verlegen solche Bücher nicht, das ist höchstens was für’s Self-Publishing.“ Auch hier beweist LayLays und Zeetos Geschichte, dass dem nicht so ist.
 
„Trigger warnings sind was für millenial snowflakes und gehören nicht in Bücher. Das sehen auch Verlage so.“ Tja nun. ?⇨
Und so einfach kann sie sein, diese Diversität: Zitat: „(…)Er ist nicht mit mir verwandt, eins von Dünyas Enkelkindern, und bis vor zwei Jahren dachten wir, er wäre ein Mädchen, aber er ist keins. (…)“ (Wasteland, Seite 65) 
Und auch in den immer wieder aufflammenden Konflikten zwischen Hopers und Toxxers werden Themen aufgegriffen, die aktueller denn je sind. Die hier aufgezeigte Zivilisation scheint sehr weit von dem entfernt zu sein, was unsere heutige Gesellschaft ausmacht, und ist doch gleichzeitig bedrohlich nah. Die Fragen, die Wasteland aufwirft, sind weder in der „echten“ Welt noch in der Buchwelt einfach zu beantworten. 
Was, wenn wir es tatsächlich schaffen, unsere Welt kaputt zu kriegen, und zwar nicht erst in 200 Jahren, sondern schon in 50? Für welche Seite würdest du dich entscheiden, um zu überleben, Hoper oder Toxxer? 
Und, die wohl wichtigste von allen: Darf man Hopepunk sein, in einer Welt, die sich mit jedem Tag weiter dem Untergang zu nähern scheint? 
Zitat aus dem Nachwort von Wasteland: „(..) Zum einen wollten wir ein Szenario malen, in dem trotzdem nicht alle Hoffnung verloren ist – und zum anderen hofen wir, dass wir in fünfundvierzig Jahren lachend feststellen werden, dass doch nichts so gekommen ist, wie wir es uns ausgedacht haben, weil wir alle rechtzeitig den Hintern hochbekommen haben. (…)“
Judith und Christian sagen also ja. Ich als Leserin pflichte ihnen bei. Und LayLay und Zeeto? Die warten erstmal ab, was ihnen in Band 2 noch alles so zustößt. ?