Ein Artikel aus der Neu-Ulmer Zeitung

Chris Kaiser fasziniert mit Kunst aus Sand

Im Roxy erzählt er Geschichten von Stanislaw Lem nach


Ulm
„Schreib’s in den Sand„, schrieb man früher in Poesiealben. Chris Kaiser malt in Sand, malt mit Sand, und die buchstäbliche Vergänglichkeit des Motivs aus Sandkörnchen ist sein Markenzeichen: Für die Literatur-Performance „Sand fiction“ im Roxy – organisiert von den Vereinen Kunstwerk und Übermorgenwelt, begleitend zur Stanislaw- Lem-Ausstellung in der Galerie Kunstpool – kam Chris Kaiser erstmals nach Ulm.

Der Künstler schafft auf seinem selbst entwickelten leuchtenden Tisch mit seinen Fingern und mit kleinen Accessoires Konturen, dann Gesichter und Räume, die so plastisch wirken, als seien sie nahezu dreidimensional. Kaisers faszinierende vergängliche visuelle Impressionen illustrierten beim „Sand fiction“-Abend unheimliche Erzählungen um psychopathische Mörder und Opfer, um Visionen und Zeitreisen – rätselhafte, vielschichtige Literatur von Stanislaw Lem, vom vor neun Jahren verstorbenen Ray Bradbury und von Alfred Bester.

In Lems technikkritischem Märchen „Die vierte Reise“ beispielsweise baut der intelligente Robotor Trurl eine Maschine, die einen hoffnungslos verliebten Prinzen von seinen Emotionen erlösen soll – doch diese sind stärker als die Maschine; zum Glück der Liebe braucht es am Ende, einen verfeindeten Planeten mit einem unblutigen Bombardement fröhlich quietschender oder quengelnder Babys zu überziehen, um den Herrscher des Planeten angesichts der explosionsartigen Bevölkerungszunahme zur Aufgabe zu zwingen. Die Schauspielerin Sarah Gros trug die Erzählungen mit lasziver Stimme vor, Sounddesigner XOFORO kreierte die passenden elektronischen Sounds, die teilweise Spannung aufbauten, teilweise jene Geräusche imitierten, die zum jeweiligen Text passen.

Der vor hundert Jahren geborene Stanislaw Lem, der überzeugt war, dass die Steigerung der technischen Leistung des Menschen einhergehe mit dem Verfall seiner Fantasie und Intelligenz, hätte vermutlich seine Freude an der Kreativität des Abends gehabt. Schade nur: Auch im Roxy – wie derzeit häufiger bei Veranstaltungen zu sehen – ignorierten einige Zuschauer und Zuschauerinnen die Maskenpflicht. (köd)